Dieter Axmann
Fachanwalt & Strafverteidiger
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Tötungsdelikte wie fahrlässige Tötung oder Mord spielen auch im Verkehrsstrafrecht eine große Rolle. Nach einem Verkehrsunfall mit Todesfolge wird Unfallbeteiligten oft eine Verletzung der Sorgfaltspflicht oder gar ein bedingter Tötungsvorsatz unterstellt. Beschuldigte benötigen einen kompetenten und erfahrenen Strafverteidiger.
Sterben Menschen bei einem Unfall im Straßenverkehr, steht schnell eine Verkehrsstraftat im Raum. Wer einen Verkehrsunfall mit Todesfolge verursacht, muss mit strafrechtlichen Ermittlungen rechnen. Es drohen ein Strafverfahren, eine Anklage wegen eines Tötungsdelikts und bei Verurteilung eine Geldstrafe oder eine Haftstrafe. Dazu kommt dann in der Regel die Zahlung von Schadenersatz und Schmerzensgeld an die Hinterbliebenen, der Entzug der Fahrerlaubnis (§ 69 StGB) und eine Sperre für den erneuten Erwerb des Führerscheins (§ 69a StGB).
Allerdings muss die Straftat vor Gericht erst einmal bewiesen werden. Der Tod von Unfallbeteiligten ist immer eine Tragödie. Doch längst nicht immer liegt eine strafbare Handlung vor. Außerdem kennt das Verkehrsstrafrecht sehr unterschiedliche Straftatbestände mit klaren Voraussetzungen. Die Einordnung hängt oft von Details ab. Auch im Verkehrsstrafrecht gilt die Maxime: im Zweifel für den Angeklagten. Und auch in Verfahren um Tötungsdelikte werden Angeklagte aus Mangel an Beweisen freigesprochen.
Den Tod einer Person im Straßenverkehr zu verursachen, kann ganz unterschiedliche Straftatbestände erfüllen. Jeder davon hat seine eigenen Voraussetzungen und Tatbestandsmerkmale.
Nach einem tödlichen Verkehrsunfall kann der Vorwurf unter anderem auf fahrlässige Tötung (§ 222 StGB), auf Totschlag (§ 212 StGB) oder auf Mord lauten (§ 211 StGB). Es kann aber auch zu einer Anklage wegen Gefährdung des Straßenverkehrs mit Todesfolge (§ 315c StGB) oder verbotenem Kraftfahrzeugrennen mit Todesfolge (§ 315d Abs. 5 StGB) kommen. Seltener geht es im Verkehrsstrafrecht um Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB).
Nach tödlichen Verkehrsunfällen werden Fahrer häufig der fahrlässigen Tötung (§ 222 StGB) beschuldigt. Darauf steht Geldstrafe oder bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe.
Der Straftatbestand erfordert ein hohes Maß an Fahrlässigkeit. Fahrlässig bedeutet, vereinfacht gesagt: Der Angeklagte hat die ihm mögliche und zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen. Er hätte die möglichen Folgen seines Tuns erkennen müssen, er war dazu auch in der Lage und hätte so den Unfall vermeiden können. Stattdessen vertraute er darauf, es werde schon nichts passieren. Bei besonderem Leichtsinn liegt grobe, bei absichtlichem Ausblenden des Risikos bewusste Fahrlässigkeit vor.
Ein als „YouTube-Raser“ bekannt gewordener Motorradfahrer fuhr mit stark überhöhter Geschwindigkeit durch Bremen. Als er sich mit 97 Kilometer pro Stunde einer Ampel näherte, trat ein angetrunkener Fußgänger auf die Straße, ohne Grün abzuwarten. Trotz Notbremsung kollidierte der Motorradfahrer mit dem Fußgänger, dieser starb wenig später an den Unfallfolgen.
Das Landgericht Bremen verurteilte den Motorradfahrer wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung und mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten. Es ging von Fahrlässigkeit anstatt von Vorsatz aus, weil der Unfallfahrer seine Fahrfertigkeit erheblich überschätzte, objektiv eine erhebliche Eigengefährdung vorlag und er sofort bremste. Ein Revisionsantrag der Staatsanwaltschaft, die eine Verurteilung wegen Mordes forderte, blieb erfolglos (BGH, 01.03.2018 - 4 StR 311/17).
Einen weiteren typischen Fall fahrlässiger Tötung im Straßenverkehr lieferten zwei Kölner Autofahrer, die mit stark überhöhter Geschwindigkeit und viel zu geringem Abstand dicht hintereinander auf die Rheinterrassen zurasten. In einer Kurve verlor der Fahrer des vorderen Fahrzeugs die Kontrolle und prallte gegen eine Fahrradfahrerin, die kurz darauf an ihren Verletzungen starb. Da sie sich ein Rennen geliefert hatten, verurteilte das Landgericht Köln beide Fahrer wegen fahrlässiger Tötung gemäß § 221 StGB zu Bewährungsstrafen. Der BGH hob in der Revision die Aussetzung zur Bewährung auf, hatte jedoch keine Einwände gegen den Schuldausspruch (BGH, 06.07.2017 - 4 StR 415/16).
Ein Berliner SUV-Fahrer, der nach einem epileptischen Anfall und aufgrund eines Tumors am Gehirn operiert worden war, setzte sich kurz danach entgegen dem Rat der Ärzte wieder ans Steuer. Dort erlitt er einen weiteren Krampfanfall. Das Fahrzeug raste in eine Fußgängergruppe, vier Menschen kamen zu Tode. Das Landgericht Berlin verurteilte den Fahrer wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren: Der Mann hätte erkennen können und müssen, dass er aufgrund der gesundheitlichen Vorgeschichte nicht fahrtauglich war (LG Berlin, 17.02.2022 - 542 KLs 6/21).
Bei Vorsatz oder bedingtem Vorsatz kann der Verursacher eines Verkehrsunfalls mit tödlichem Ausgang wegen Totschlags (§ 212 StGB) angeklagt werden. Dieser Straftatbestand erfasst die vorsätzliche Tötung eines Menschen, solange diese keinen Mord darstellt. Die Strafe für Totschlag besteht in einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren, in einem minder schweren Fall (§ 213 StGB) von mindestens einem Jahr.
Totschlag setzt Vorsatz voraus: Der Unfallverursacher muss die Gefahr, dass jemand sterben würde, zum einen erkannt und zum anderen gewollt oder zumindest bewusst in Kauf genommen haben. Zum Vorsatz gehören also zwei Elemente, das Erkennen der tödlichen Gefahr und ihr Akzeptieren bzw. die Inkaufnahme. Eine direkte Tötungsabsicht muss nicht vorliegen.
Ein 20-Jähriger raste bei Rot über eine Kreuzung in der Frankfurter Innenstadt. Dabei war das Fahrzeug statt der erlaubten 70 mindestens 142 Kilometer pro Stunde schnell. Es kollidierte ungebremst mit einem anderen Auto, dessen Fahrer noch am Unfallort starb.
Das Landgericht Frankfurt verurteilte den Unfallverursacher zu einer Jugendstrafe von drei Jahren. Das Unfallrisiko beim Überqueren der Kreuzung trotz Rotphase war dem Angeklagten nach Feststellung im Strafprozess bewusst. Das Landgericht hatte dennoch auf bewusste Fahrlässigkeit statt bedingten Vorsatz und damit auf fahrlässige Tötung statt Totschlag entschieden. Es berief sich u. a. darauf, dass der Mann, der nicht angeschnallt war, mit der Kollision auch den eigenen Tod riskierte. Der Bundesgerichtshof hob das Urteil auf (BGH, 01.03.2018 - 4 StR 158/17). Aus der Inkaufnahme tödlicher Folgen für Andere folge nicht notwendig die Billigung des Eigenrisikos. In der Neuverhandlung wurde der Angeklagte wegen Totschlags zu einer Jugendstrafe von fünf Jahren verurteilt. Diesen Schuldausspruch bestätigte der BGH: Als der Mann sich entschloss, die Kreuzung trotz Rot zu durchfahren, hätte er noch anhalten können (BGH, 04.11.2020 - 4 StR 425/19).
In den letzten Jahren ist das Risiko für Autofahrer deutlich größer geworden, nach einem tödlichen Verkehrsunfall wegen Mordes verurteilt zu werden. Bei einem Tötungsdelikt mit bedingtem Vorsatz im Straßenverkehr entscheiden die Strafkammern zunehmend auf Mord und nicht nur auf Totschlag. Auch der BGH hat solche Urteile bereits mehrfach bestätigt.
Ein Mord liegt vor, wenn die Tötung vorsätzlich erfolgt und außerdem mindestens eines der 8 Mordmerkmale vorliegt, die der Mordparagraf 211 StGB festlegt. Im Straßenverkehrsrecht spielen vor allem vier dieser Mordmerkmale eine Rolle:
Der „sonstige niedrige Beweggrund“ gilt als Auffang-Mordmerkmal. Der BGH hat ihn bereits in den Fünfzigerjahren als „nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehend, durch hemmungslose, triebhafte Eigensucht bestimmt und deshalb besonders verwerflich, ja verächtlich“ bestimmt.
Das erste Beispiel für eine Verurteilung wegen Mordes im Verkehrsstrafrecht lieferten die Berliner „Ku’damm-Raser“: Zwei Männer lieferten sich 2016 in der Berliner City spontan ein Autorennen mit stark überhöhter Geschwindigkeit. Dabei kam es zu mehrfachen Rotlicht-Verstößen in Folge. Einer der Beteiligten rammte mit mindestens 160 Kilometer pro Stunde ein Fahrzeug, das in dieselbe Straße einbiegen wollte. Dessen Fahrer war sofort tot. Das andere am Rennen beteiligte Fahrzeug wurde ebenfalls schwerbeschädigt, die Beifahrerin erheblich verletzt. Nach einer langen Reihe von Prozessen – allein der BGH fällt drei Revisionsentscheidungen – sind die Urteile gegen beide am Rennen Beteiligte rechtskräftig.
Der Fahrer, der das unbeteiligte Fahrzeug gerammt hatte, wurde wegen Mordes in Tateinheit mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs und mit fahrlässiger Körperverletzung zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt (BGH, Urteil vom 18.06.2020 - 4 StR 482/19). Aufgrund der außergewöhnlichen Gefährlichkeit des Verhaltens war das für bedingten Vorsatz erforderliche Willenselement gegeben. Das Motiv habe darin bestanden, das Rennen zu gewinnen, um ein Gefühl der Überlegenheit und Selbstwertsteigerung zu verspüren. Damit sei das Mordmerkmal der Tötung aus niedrigen Beweggründen verwirklicht. Da der getötete Fahrer nicht mit einem Autorennen rechnete und sich auf die Grünphase verließ, war er bei der Kollision arg- und wehrlos, deshalb lag auch Heimtücke vor.
Der zweite Fahrer wurde wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs und fahrlässiger Körperverletzung im dritten Rechtsgang zu dreizehn Jahren Freiheitsstrafe verurteilt (BGH, 19.01.2022 - 4 StR 319/21). Das Landgericht hatte bei dem Urteil angemerkt, dass es nur vom Zufall abhängig gewesen sei, dass nicht er mit dem Fahrzeug des Todesopfers kollidiert sei.
In einem anderen Fall lehnte der BGH es ab, einen Autofahrer wegen Mordversuchs zu verurteilen, wie es der Revisionsantrag der Staatsanwaltschaft forderte. Das Urteil lautete stattdessen auf versuchten Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, vorsätzlichem gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr, vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr und vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis. Der Mann, der familiäre und wirtschaftliche Probleme hatte, war alkoholisiert und in Selbsttötungsabsicht unangeschnallt mit mindestens 120 Kilometer pro Stunde in eine Kreuzung eingefahren und mit einem Kleintransporter kollidiert. Dessen Fahrerin wurde verletzt.
Der BGH ging zwar wie das Landgericht Verden von bedingtem Vorsatz und deshalb von versuchtem Totschlag aus. Heimtücke als Mordmerkmal sei jedoch nicht verwirklicht gewesen. Angesichts des spontanen Tatentschlusses sowie der Vorgeschichte und des psychischen Zustands des Angeklagten war es für den BGH nicht gesichert, dass er die Arg- und Wehrlosigkeit der anderen Autofahrer bewusst ausnutzte. Er sah in dem Suizidversuch auch keine niedrigen Beweggründe.
Fahrlässige Tötung, Totschlag und Mord sind Tötungsdelikte. Der Tod eines Menschen im Straßenverkehr kann auch als Gefährdungsdelikt verurteilt werden. Einschlägig sind die Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c StGB) und das verbotene Kraftfahrzeugrennen (§ 315d Abs. 5 StGB). Im ersten Fall ist eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren möglich. Im zweiten Fall beträgt der Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe.
Beide Straftatbestände sind abstrakte Gefährdungsdelikte, die das Herbeiführen der Gefahr unter Strafe stellen. Werden sie in Tateinheit mit einem Tötungsdelikt wie fahrlässiger Tötung oder Mord begangen, gilt in Bezug auf das Strafmaß der Strafrahmen des schwerer wiegenden Tötungsdelikts.
Steht nach einem tödlichen Unfall im Straßenverkehr der Verdacht auf ein Tötungsdelikt im Raum, geht es fast immer um die Frage, ob der Angeklagte mit bedingtem Vorsatz oder bewusst fahrlässig gehandelt hat. Die Antwort hat erhebliche Auswirkungen auf das Strafmaß.
So verurteilte das Landgericht Stuttgart einen Fahrer, der mit 163 Kilometer pro Stunde in der Stuttgarter Innenstadt von der Straße schleuderte und gegen einen Kleinwagen prallte, dessen Insassen beide starben, zwar wegen verbotenem Kraftfahrzeugrennen mit Todesfolge, nicht aber wegen Mordes. Das war gemäß der Revisionsentscheidung des BGH auch kein Rechtsfehler (BGH, 17.02.2021 - 4 StR 225/20): Das Landgericht durfte davon ausgehen, dass der Fahrer sein Fahrvermögen in gefährlichen Situationen und bei hoher Geschwindigkeit überschätzte und deshalb ohne Vorsatz handelte.
Dagegen bestätigte der 4. Strafsenat des BGH das Mordurteil des Landgerichts Hamburg gegen einen Angeklagten, der betrunken ein Taxi gestohlen und im Zentrum der Hansestadt mit 130 Kilometer pro Stunde auf der Gegenfahrbahn mit einem anderen Auto kollidiert war. Einer der Insassen starb direkt an der Unfallstelle. Dem Mann sei bewusst gewesen, dass sein Fahren mit möglichst hoher Geschwindigkeit auf der Gegenfahrbahn mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Frontalzusammenstoß mit Todesfolge führen würde. Das habe er gebilligt, um der Polizei zu entkommen. Damit lag auch für den BGH bedingter Vorsatz als Voraussetzung für eine Verurteilung wegen Mordes vor (BGH, Beschluss vom 16.01.2019 - 4 StR 345/18).
Dieter Axmann ist Strafverteidiger und Fachanwalt für Strafrecht aus Dortmund. Er hat schon Tausende von Mandanten in Strafverfahren aller Art vertreten und verfügt über große Erfahrung in der Strafverteidigung im Verkehrsstrafrecht.